Kapitel 2 - Der Glückspirat
Es wäre fast schon eine schöne Kulisse, als die Sonne über dem Karibischen Meer unterging, sich ihr Licht von dunklem Orange bis zum grellen Gelb auf der Wasseroberfläche spiegelte, würde es sich nicht um Caidens Hinrichtung handeln, welche die Kulisse ummantelt. Caiden, auch besser bekannt als der Glückspirat, wurde nach einer Kneipenschlägerei von den Briten geschnappt. Er war bekannt für Glücksspiele und seine ewige Suche nach dem einem Glücksbringer, der ihm ewige Gewinne versprechen sollte. Den hatte Caiden bisher noch nicht gefunden und aus diesem Grund nutze er gerne den ein oder anderen Trick, um gewinnversprechend aus einem Spiel zu gehen. Dies klappte auch sehr gut, bis zu dem Zeitpunkt als ein Jamaikaner Caidens mit Eisen versehenen Würfel und den Magneten in seiner Hose entdeckte. Er bemerkte ihn auch nur, weil der von Caiden gewonnene Ring geradewegs zu seiner Hose rollte und an seinem Hosenbein festklebte, als ihn der Jamaikaner auf den Tisch knallte. Dies war auch gleichzeitig Caidens Beweis, dass der Ring nicht aus purem Gold sei, so wie es ihm der Jamaikaner verkaufen wollten, denn Gold ist schließlich nicht magnetisch. Dieses Gegenargument hinderte den stämmigen Typen jedoch nicht daran, seine Faust in Caidens Gesicht zu rammen.
Als er wieder aufwachte, befand er sich in einer Zelle der Briten. Sie haben den bekannten Seeräuber sofort erkannt und ebenfalls seine sofortige Hinrichtung veranstaltet. Normalerweise hätte Caiden noch einen Prozess verdient und normalerweise hätte man ihn auch in London hingerichtet, hätte er nicht vor ein paar Monaten Jonathan Reece, den Offizier der britischen Flotte hier in Port Royal betrunken auf einem Straßenfest übers Ohr gehauen. Damals kannte der Offizier Caiden Murphy, den glorreichen Halunken der See, noch nicht. Seitdem war er nicht besonders gut auf ihn zu sprechen. "Bevor ich euch hinrichte und in Gottes Gnade übergebe, händigt mir doch bitte noch meine Kette aus, die ihr mir damals geklaut habt." sagte Reece in einem arroganten und abfälligen Ton, als Caiden vor ihm mit einer Schlinge um den Hals stand. "Geklaut? Soweit ich mich erinnere habe ich die Kette rechtmäßig beim Black Jack gewonnen." erwiderte Caiden gespielt unwissend. Dies hat er nicht, aber das konnte Reece nicht wissen, hatte er ihn damals nicht dabei erwischt. "Ich gebe zu, zum damaligen Zeitpunkt war ich recht angetrunken und habe nicht bemerkt, wie euch euer Gefährte die passende Karte zugeschoben hat. Als ich am nächsten Tag das Deck gemischt habe, ist mir jedoch aufgefallen, dass sich zwei Herz Sieben darin befanden. Die zweite Karte müsst ihr untergeschoben haben." Caiden zuckte mit den Schultern "Kann mich nicht daran erinnern. Ich gebe zu, dass ich zum damaligen Zeitpunkt recht angetrunken war..." Reece schlug ihm ins Gesicht. Das zweite mal in den letzten Stunden, dass der Seemann einen Schlag ins Gesicht bekam. Sein Kiefer knackte. "Ich habe genug von euren Spielchen. Caiden Murphy, ehemaliger Schmuckhändler aus Portsmouth, der sich dem Freibeutertum verschrieben hat. Ich verurteile euch nach Recht der britischen Krone zum Tode durch den Strick. Eure Verbrechen sind Diebstahl, Schwarzhandel, Überfälle auf Handelsschiffe, Glücksspielbetrug, illegales Glücksspiel, ..." so wie Reece Caidens Strafen zitierte, geschah etwas merkwürdiges. Etwas, das Caiden bisher nie in seinem Leben sah. Erst dachte er, es war nur eine Lichtspiegelung der untergehenden Sonne. Vielleicht spielte ihm sein Verstand auch einen Trick? Schließlich befand er sich gerade bei seiner eigenen Hinrichtung. Als das Etwas immer größer wurde und sich langsam formte, war er sich sicher, eine echte Erscheinung zu sehen.
Das Teil sah aus wie ein Ei, an den Rändern schimmerte es und in der Mitte sah er eine dunkle Kammer mit Menschen. Es war, als schaute er durch ein Fenster. Durch das Etwas sprang zugleich eine blonde Frau, mit äußerst merkwürdiger Kleidung. Unüblich für eine Frau trug sie keinen Rock, sondern blaue Hosen. Auch schmückte ihr Oberkörper eine schwarze Jacke, scheinbar aus Leder, aber in einem Stile, wie er sie noch nie sah. Ihre Frisur setzte der makabren Erscheinung die Krone auf. Der Schnitt war schulterlang und verliefe von da aus schräg geschnitten nach oben. So wie die Frau durch das Fenster stieg warf sie sich auf den Boden. Hinter ihr folgten Salven von Schüssen, geradewegs auf Caiden und die Briten zu. "Allmächtiger" sagte Caiden verblüfft mit großen Augen. Die Kugeln schlugen neben, unter und über ihnen ein und zwangen die britischen Soldaten, sich Deckung zu suchen. "Porta, komm durch das Portal und schließe es!" schrie das blonde Mädchen durch das Fenster. Ihren Worten folgte eine blecherne Kugel, die alles merkwürdige, was Caiden in den letzten Sekunden sah, noch übertraf. Als die Kugel durch das Fenster stieg, schloss es sich. Dahinter befanden sich Menschen in dunkler Kleidung, welche wohl gerade auf sie geschossen haben mussten. Das Fenster verkleinerte sich und war schließlich gänzlich verschwunden.
Plötzlich befand sich dort, wo gerade noch Menschen, Schüsse und eine Kammer waren, nichts mehr, außer dem Strand und dem Meer, mit der untergehenden Sonne. Caiden nahm die Chance zur Flucht wahr und rief dem Mädchen zu "Hey ihr! Helft mir hier raus! Bitte! Ich habe ein Schiff und kann uns hier wegbekommen. Diese Typen da drüben werden gleich genauso das Feuer auf uns eröffnen, wie die Gestalten hinter dem Fenster aus dem ihr gekommen seid!" Reece trat hinter seine Deckung hervor "Murphy! Was für ein Trick war das schon wieder?" und zog seine Waffe. Das seltsame Mädchen blickte zu Caiden "Meine Chancen diesen Schauplatz in Takt zu verlassen, steigern sich durch deine Rettung um 27,76%. Starte nun den Rettungsversuch." Geschwind rannte das blonde Mädchen auf ihn zu, ihre blecherne Kugel im Schlepptau. Sie war schnell und sprang auf das Podest des Galgens. Die Soldaten, noch sichtlich verwirrt von dem vorangegangenen Ereignis, kamen ebenfalls aus ihren Deckungen hervor und zogen ihre Waffen. Das blonde Mädchen öffnete den Knoten um Caidens Hals in blitzes Schnelle. "Lasst uns diesen Ort verlassen. Wo befindet sich dein Schiff, Mann der Meere?" fragte sie ihn, ihre stahlblauen Augen blickten ihn an, als würde sie gerade etwas errechnen. "Am Hafen, nicht weit von hier. Kommt mit!" antwortete Caiden, noch immer an den Handgelenken gefesselt und rannte zum Hafen. Hinter ihm schossen die Soldaten auf sie. Sie trafen die blecherne Kugel, welche nur ein "Au! Das ging auf meine Hauptplatine!" von sich gab. Die Stimme der Kugel klang, als sprach ein Kind durch ein Metallrohr.
Die drei rannten durch die Straßen zum Hafen, dabei verfolgt von den Blicken der Inselbewohner. "So lange wir uns inmitten der Menschen bewegen, wird Reece nicht schießen." sagte Caiden, während er einen Obsthändler geschickt während des Laufens in die Schussbahn der Briten schubste. "Haltet diese Leute!" brüllte Reece, nicht in der Lage weiter auf sie zu feuern, doch der Gruppe dicht auf den Fersen. Nach einigen Metern Rennens erreichte die Gruppe den Hafen. Caiden zog an Anyas Jacke und lenkte sie auf dem Steg zwischen den Schiffen und Booten zu seinem Boot. Er zeigte auf das Schiff der Briten zu ihrer Rechten "Das Teil wird uns gleich auf dem Meer Probleme machen. Damit versenken sie uns mit einem Schuss." er schnappte bei seinen Worten nach Luft. Anya scannte das Schiff. Es war ein Kriegsschiff der Royal Navi. Die schwächste Stelle war der Maßt. Fiel er, war das Schiff nicht mehr imstande zu fahren. "Porta, schieße mit deinem Schneidbrenner-Laser auf die angegebene Stelle. Ich schicke sie dir jetzt als Datenpaket." befahl sie der Kugel. Nur wenige Sekunden später begann die Kugel, noch während sie sich in der Bewegung befand, ein seltsamen Arm aus ihrer Seite zu fahren, aus dessen Ende ein rötlicher Strahl feuert. Caiden konnte dies alles nur verschwommen im Laufen beobachten, doch er war nicht schlecht fasziniert. Der Strahl traf den Maßt, welcher daraufhin brach, glühte und schließlich in Feuer aufging. Wortlos, doch mit offenem Mund, rannte er weiter.
Reece erreichte den Hafen. Caiden hätte gerne sein Gesicht in einem Gemälde aufgefangen, um sich an schlechten Tagen daran erheitern zu können. Bleich, erstaunt und erzürnt zugleich sah er, wie sein Maßt brannte und statt die drei zu verfolgen, musste er nun seine Männer zum Löschen schicken. "Wie auch immer Ihr das gemacht habt! Da vorne ist mein Boot! Springt drauf und dann verschwinden wir von hier." keuchte Caiden. Das Boot war ein Fischerboot, Fässer mit eingelegtem Fisch waren darauf verstaut, die Anya als Meerbarbe definierte. Einen Fisch, der in ihrer Zeit ob der Überfischung und Meerverschmutzung längst ausgestorben war. Die drei sprangen auf das Boot und mit schnellen Fingern löste Caiden sogleich das Tau und setzte die Segel. "Wir sollten eigentlich nicht mit diesem Boot fahren. Ich bin Schmuggler und nutze dieses Fischerboot als Tarnung. Es ist morsch und hat ein Leck im Bug." Caiden verwies auf das Wasser im Boot. Trotzdem segelten sie so schnell sie aufs Meer hinaus, da sie keine andere Wahl hatten.
Auf den Meer konnte Anya den Piraten genauer anschauen. Er trug ein Kopftuch, auf dem vierblättrige Kleeblätter zu sehen waren. An seinem Gürtel hing ein nach oben gerichtetes Hufeisen, seinen Hals schmückte eine Kette mit einer Goldmünze und in seiner Westentasche hatte der Seemann einen abgetrennten Finger eines Schimpansen. Durch ihren Scan erfasste sie zudem mit Eisen versehene Würfel und Kartenspiele, die mehr Karten beinhalteten, als es die üblichen Regeln zuließen. Caiden bemerkte von ihrem Scan nichts, er schaute aufs Meer hinaus "Wir werden nicht weiter als bis zu dieser Insel dort vorne segeln können, ansonsten gehen wir unter." Mit letzter Kraft schleppte sich das Boot in die Bucht der kleinen Insel. Sie stiegen aus und ließen sich am Strand nieder. "Hier sind wir in Sicherheit. Reeces Soldaten werden kaum hier suchen. Jedoch gibt es auf dieser verfluchten Insel kein Essen und auf meinem Kahn ist nicht viel Fisch." Caiden öffnete ein Faß, welches er von seinem Boot rollte. Im oberen Teil schwamm Fisch, doch ließ sich dieser Teil herausnehmen. Drunter befand sich Rum, den er auf die Insel schmuggeln wollte. Der Pirat trank einen Schluck aus der Buddel und schaute aufs Meer hinaus. "Wer seid ihr überhaupt?" fragte er die beiden. Anya blickte zu ihm "Mein Name ist Anya. Ich bin auf einer wichtigen Mission und nur versehentlich in diese Zeit gereist. Eigentlich wollte ich ins Jahr 1865, nach Paris, Frankreich." Caiden schien nicht zu verstehen, trotzdem antwortete er mit einem schiefen Grinsen "Dann seid ihr gute 10000 Meilen am falschen Ort und 100 Jahre zu früh meine Dame."
Anya ging zu Porta "Statusbericht" welche daraufhin erheitert antwortete "Hauptplatine getroffen, aber fühle mich trotzdem gut. Möchte jetzt ein Seemannslied singen!" Scheinbar hatte es Porta schlimmer getroffen als gedacht. Sie stimmte ein Lied ein und sang. "Hast du noch Energie für ein weiteres Portal?" fragte sie Anya "Neeeegativ. Mein Saft ist leer. Könnte einen Zeitscan veranlassen. Wenn ich zufällig einen Knotenpunkt im Zeit Gefüge entdecke, bei dem ein hoher Energiewert entsteht, kann ich mich an ihn koppeln. Die dafür benötigte Energie entspricht circa der eines Kometeneinschlags!" Porta schien bei diesen Worten zu lachen. Ein höchst seltsames Verhalten für eine Maschine. "Starte den Prozess Porta." befahl ihr Anya. Porta begann sogleich ihre Arbeit, dabei weiter ihr Seemannslied summend.
Tage vergingen. Der Gestrandete hat sich dabei mehrfach auf der Insel umgesehen, jedoch nichts gefunden, was für ihn essbar war. Er konnte ein wenig Regenwasser zu sich nehmen, Anyas Berechnungen erkannten jedoch, dass diese Menge nicht ausreicht, um ihn lange am Leben zu halten. Caiden wunderte sich, warum Anya nichts aß oder trank, woraufhin sie sagte "Ich bin kein Mensch wie ihr, sondern eine Maschine." Verdutzt fragte Caiden "Also seid ihr wie ein Webstuhl?" Diese Frage konnte Anya mit einem ja beantworten, da ein Webstuhl die technisch höchste Erfindung der damaligen Zeit war. Die Nahrung war nach 5 Tagen aufgebraucht, nach 8 Tagen erkannte Anyas Körperscan bereits erste Mangelerscheinungen bei dem Gestrandeten. Genau 12 Tage und 3,4 Stunden hat es gebraucht, bis Porta einen geeigneten Knotenpunkt gefunden hat. "War erfolgreich Leute! Ich hoffe ihr musstet nicht all zu lange warten, ich vergesse bei meinen Zeitscans manchmal die Zeit." witzelte die Kugel. Ebenfalls kein gewöhnliches Verhalten. Die Platine war wohl sehr stark getroffen. "Unser Knotenpunkt befindet sich im Jahr 2052 - Erdumlaufbahn, circa Dreißig Millionen Kilometer von der Erde entfernt." Caiden blickte müde auf, er hatte nur noch wenig Energie von der er zehren konnte "Wen haben wir da gefunden? Den Mann im Mond?" Porta gab das Portal frei. Zu sehen war ein Mann in einen Astronauten Anzug, der ebenfalls ein schwaches Energieniveau aufwies und sie ungläubig anschaute. "Nahrung? Habt ihr hier Nahrung, Mann im Mond?" fragte ihn Anya.
James Wallet